SALON | „Was war los in Bern, Hamburg und Ludwigsburg? – Kurzberichte von drei Mediationstagungen“

Im Dezember präsentierten wir ein Potpourri an Kurzberichten verschiedener Vorträge und Workshops, die auf den Mediationsveranstaltungen Campus M in Bern, dem Mediationstag des DAV in Hamburg und beim Mediationskongress in Ludwigsburg angeboten wurden. Dabei wurden wir von Ulrike Hagen unterstützt, die als Teilnehmerin den Mediationskongress in Ludwigsburg besucht hatte und von Ihren Eindrücken berichtete.

SALON | „1001 Mediationsstile“

Diesmal war die Referentin eine der Gründer des Arbeitskreises Mediation selbst, Julia Wiese stellte das Riskin Modell vor. Das Modell hilft beim Verstehen der verschiedenen Mediationsstile und auch bei der Selbstklärung des Mediators. So kann es für die Suche nach einem Co-Mediator dienlich sein, weil es das eigene Mediationsverständnis abbildet und gleiche oder unterschiedliche Haltungen durch die Positionierung im Modell sichtbar werden. Es kann auch gemeinsam mit den Mediationsparteien eingesetzt werden, indem sowohl die Parteien und ihre Begleitanwälte als auch der Mediator die Erwartungshaltung in Bezug auf das das Mediationsverfahren einzeichnen. So lassen sich vorab Missverständnisse und Enttäuschungen aufdecken. Das Modell ist ein Koordinatensystem mit einer horizontalen und einer vertikalen Achse. Die horizontale Achse bildet den Blick auf das Problem/Thema des Konflikts ab („Problem-Blende“), die vertikale Achse verdeutlicht die Strategien und Techniken des Mediators, die er in der Mediation anwendet.
 
 

Julia Wiese ist Mediatorin, Businesscoach, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Mediativer Mittwoch UG. Sie ist spezialisiert auf betriebsinterne Mediationen und coacht im Besonderen Juristen und Rechtsanwälte.

SALON | „One-Party-Mediation“

Im Oktober war der Mediative Mittwoch fabelhaft, insgesamt 30 Teilnehmer wollten die Methode One-Party-Mediation von Jörn Carstens kennenlernen. Die Einzelarbeit kann der Vorbereitung einer Partei auf ein Mediationsverfahren dienen, als auch nachbereitend sinnvoll sein. Bereits bei der ersten Kontaktaufnahme (z.B. vertrauliche Einzeltelefonate mit den Beteiligten) kann der Mediator durch Fragen ermitteln, ob für einzelne Konfliktparteien One-Party-Mediation in Betracht kommt.Mögliche Fragen für das vertrauliche Erstgespräch:

  • „Für wie wahrscheinlich halten Sie den Erfolg der Mediation?“
  • „Für wie fähig halten Sie sich, an der Mediation teilzunehmen?“

und

  • „Für wie fähig halten Sie den anderen, an der Mediation teilzunehmen?“
  • „Für wie wahrscheinlich glauben Sie, hält der andere den Erfolg der Mediation?“

Antwortet der Befragte zu 1. und 2. z.B. „eher unwahrscheinlich“ bzw. „eher nicht fähig“, ist dies ein erstes Indiz für eine mögliche Bereitschaft zur Einzelarbeit. Die Fragen 3. und 4. helfen, eine eventuelle Einzelarbeit bei der anderen Konfliktpartei zu ermitteln.
 
Nach der Pause stellte Jörn Carstens Übungen aus dem Sozialen Panorama (Lukas Derks) vor. Die Vorstellung eines Abschiedsrituals (nach John Grinder) bildete den Abschluss des Abends. Wenn der Mediator am Ende der Einzelarbeit das Gefühl hat, dass zwischen der anwesenden und der abwesenden Konfliktpartei noch Ärger besteht, kann folgendes „Dank aussprechen“ eine Klärung bringen. Der Mediator stellt dabei der anwesenden Konfliktpartei Fragen und bittet sie, zu verschiedenen Lernerfahrungen dem Konfliktpartner „Danke“ zu sagen:

  • „Wo im Raum ist er/sie?“
  • „Wie groß ist er/sie?“
  • „Bedanken Sie sich bitte bei ihm/ihr, was Sie …

    a)      … von ihm/ihr gelernt haben.“

    b)     … mit ihm/ihr gelernt haben.“

    c)      … über ihn/sie gelernt haben.“

    d)     … über sich gelernt haben.“

  • „Gab es eine Situation im Konflikt, in dem Sie über ihm/ihr waren? Wenn ja, bedanken Sie sich bitte bei ihm/ihr, was Sie in dieser Situation gelernt haben.“
  • „Bedanken Sie sich bitte bei ihm/ihr, was Sie …

    a)      … unter ihm/ihr gelernt haben.“

    b)     … neben ihm/ihr gelernt haben.“

 
 

Jörn Carstens ist Naturwissenschaftler (Gutachter in (öffentlichen) Genehmigungsverfahren, Sachgebiet Grundwasser) und arbeitet daneben als NLP-Trainer, Wirtschaftsmediator und systemischer Coach. Außerdem bietet er Seminare zum Thema „Konflikte“ mt Spezialthemen zur Kommunikation in Konflikten an.

SALON | „Internationaler Mediationskindertag“

Mediation D A CH veranstaltet einmal jährlich die Internationalen Mediationstage in Hamburg. Hier werden Praxisfälle aus der Welt der Mediation geschildert und es gibt Gelegenheit zu Information und Vernetzung. In diesem Rahmen wird es 2013 auch einen Internationalen Mediationskindertag geben. Mediatoren werden Kindern ab drei Jahren in ausgewählten Kindergärten und Grundschulen Geschichten aus der Welt der Mediation vorlesen. Derzeit sammelt Mediation D A CH e.V., der die Veranstaltung organisiert, Mediationsgeschichten aus aller Welt. Diese werden von Mediatoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgetragen.
 
Anna Albers berichtete, dass das Projekt Internationaler Mediationskindertag 2013 im Gesamtkontext der Konfliktarbeit mit Kindern eingebettet ist. So gibt es beispielweise zahlreiche speziell für Kindergarten und Grundschule entwickelte Konzepte, die Kinder beim Umgang mit Konflikten unterstützen, z.B. das „Palaverzelt“ in Deutschland, die „Losberhöhle“ in der Schweiz und die vielfältig ausgestalteten Streitschlichter-Programme an deutschen, österreichischen und schweizer Schulen.
 
Im Rahmen unserer Reihe „Ein Verband stellt sich vor“ besuchte uns Mediation D A CH e.V., Deutschland, Austria, Schweiz, Fördergemeinschaft für friedliche Win-Win-Lösungen. Anita von Hertel, 1. Vorsitzende und Mitgründerin von Mediation D A CH berichtete über die Entstehung von Mediation D A CH sowie über die ganz aktuellen Entwicklungen in der Welt der Mediation.
 
 

Anna Albers ist Mediatorin und Geschäftsführerin der Fördergemeinschaft Mediation D A CH e.V.

SALON | „Kokon-Verfahren – kooperative Konfliktlösung bei familienrechtlichen Streitigkeiten“

Das Kokon-Verfahren ist 1991 vom  Rechtsanwalt Stuart Webb aus Minnesota unter dem Namen collaborative law im Rahmen familienrechtlicher Streitigkeiten entwickelt worden. Die anwaltliche Tätigkeit findet dabei unter der Bedingung statt, dass sich die Parteien darauf einigen, nicht vor Gericht zu ziehen, sondern stattdessen miteinander über die Angelegenheit zu verhandeln. Finden sie auf diese Weise keine Lösung, sind sie gezwungen, sich für die Auseinandersetzung vor Gericht einen anderen Rechtsbeistand zu suchen. Folge dieser Beschränkung ist, dass die Parteien deutlich mehr gemeinsam verhandeln. Die Verhandlung wechselt erst sehr viel später als bei normalen Verhandlungen in die Phase des Nicht-Mehr-Verhandeln-Wollens. Die Alternative, vor Gericht zu gehen, die üblicherweise als Drohung missbraucht wird, wird von den Beteiligten im Rahmen des collaborative law unbewusst ausgeblendet.

Das Kokon-Verfahren unterscheidet sich vom Mediationsverfahren insoweit, als dass die Rollen des Verhandelnden und des Verfahrensleiters in nur einer Person, nämlich der des Anwalts, liegen. Ein Kokon-Verfahren kann nur von Anwälten mit zusätzlicher Mediationsausbildung durchgeführt werden, da diese Zusatzqualifikation Grundvoraussetzung für das Verständnis der Besonderheit des Kokon-Verfahrens ist. Die collaborative law praktizierenden Anwälte haben sich in den USA in lokalen Netzwerken organisiert, damit interessierte Parteien Anwälte finden können, die dieses Verfahren praktizieren.

Zum Verfahrensablauf: Einigen sich die Parteien auf die Durchführung eines Kokon-Verfahrens, verhandeln die zwei Anwälte der Parteien gemeinsam mit ihren jeweiligen Parteien. Es sind also mindestens vier Personen beteiligt. Der Anwalt begrenzt seinen Tätigkeitsumfang vor Verfahrensbeginn vertraglich durch eine Disqualifikationsklausel. Mit dieser erklärt er sein Mandat auf gütliche Einigungsverhandlungen begrenzt. Dabei erfolgt die Begrenzung lediglich in Bezug auf die verfahrensbezogenen Interessen, während er hinsichtlich der materiellen Interessen vollumfänglich für seinen Mandanten tätig wird. Das Kokon-Verfahren wird vor allem in den USA durch die Hinzuziehung weiterer Fachleute wie z.B. Coaches, Finanzexperten, Psychologen, etc. erweitert.

Martin Engel ist Habilitand im Bereich des Familienverfahrensrechts an der Juristischen Fakultät der LMU München und nebenberuflich Rechtsanwalt in München. Er hat seine Promotionsschrift zum Thema „collaborative law“ verfasst und ist Initiator des Online-Portals www.kokon-verfahren.de/de.